Abendzeitung München | März 2005

Bezahlte Lebensfreude
"Thomas Bernhard hätte geschossen" Georg Schramms neues Kabarett

Wer hier an der falschen Stelle lacht, begibt sich in Lebensgefahr. Denn "Thomas Bernhard hätte geschossen" - aber das verrät Georg Schramm, den Revolver in der Hand, erst zum Schluss seines neuen, fulminanten Kabarettsolos. Die Lust, Leute für soziales Fehlverhalten abzuknallen, spüren am Ende auch seine Bühnenfiguren. Wer ihnen applaudiert, entdeckt erschreckt den Möchtegern-Lynchmörder in sich selbst.

Schramms "Scheibenwischer"-Personal - der Oberstleutnant Sanftleben, der gallige Rentner Dombrowski mit der Lederhand und der abgehalfterte hessische Sozialdemokrat August - im Lustspielhaus zu Gast beim Seminar "Deutschland helfen - aber wie?". Als smarter Moderator und Motivationstrainer erläutert Schramm das Konzept "Leben jetzt!". Zur Steigerung der Lebenserwartung im Sinne von Lebensfreude junger Arbeitsloser könne man jedem ohne Verlust 1600 Euro pro Monat zahlen. Die perfide menschen- und wirtschaftsfreundliche Kosten-Nutzen-Rechnung geht jedoch nur durch sozialverträgliches Frühableben nach 30 Jahren auf. Jeder Satz ist ein Skalpellschnitt. Mit seinem Co-Autor und Regisseur Rainer Pause seziert Schramm aus der Perspektive seiner (glänzend gespielten) Figuren unsere Probleme. Der zackige SPDler wehrt sich gegen Wohltätigkeits-Kollekten, Dombrowski plant voller Hass einen Kreuzzug gegen Pharma-Industrie und das korrupte Gesundheitssystem.

Die gnadenlose Schärfe des Sozialportraits liegt in seiner genau recherchierten Ähnlichkeit mit der Wirklichkeit. Zynisch ist nicht der Satiriker, sondern die Gesellschaft. Er bringt nur den Alltagswahnsinn auf den logischen Punkt. Und das kann zur Zeit keiner brillanter und böser als Georg Schramm"

Gabriella Lorenz